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Portugal wir kommen

Fahrt ihr dieses Jahr auf Urlaub?
Ja, wir fliegen bald nach Portugal.
Zum Surfen?
Nein, zum Mountainbiken.
Wie, wo, was??

Wenn man an Portugal denkt, dann hat man für gewöhnlich nicht gleich eine klassische Bike-Destination vor Augen, wie beispielweise bei Madeira. Aber wie wir nach dieser Woche erfahren sollten: Vorurteile und Klischeedenken sind bei einer Reise von Bikefex Fehl am Platz. Denn der Surfspot wird sich noch als Sehnsuchts-Destination für uns Enduro-Biker entpuppen und unsere bewährten Hometrails alt aussehen lassen.

Aber nun von vorne

Nachdem wir mit unseren Bikekoffern in Lissabon gelandet sind; wir sind sechs Bikefreunde aus Graz inklusive unserem Guide Renè von Bikefex, treffen wir auf unsere zwei neuen Tiroler Bike-Buddies Sarah & David. Die erste Hürde: Motorschaden unseres Begleitfahrzeugs. Das fängt ja schon mal gut an. Aber es wäre wohl keine professionell organisierte Bike-Reise, wenn nicht gleich für Abhilfe gesorgt werden würde.

Kurzerhand kommen – mitten in der Nacht – zwei unserer Local-Guides mit ihren Privat-Autos und großem Radanhänger um uns abzuholen. Das nenne ich mal „Liebe zum Beruf“ oder doch „zur Berufung“? Denn hauptberuflich sind die beiden Opernsänger und Architekt. Und auf jeden Fall extrem engagierte Local-Guides zur Unterstützung unserer Bikefex-Reise. Sie bringen uns mitten in der Nacht zu unserer Unterkunft.

Da wo Windmühlen stehen …

Ein Windmühlendorf. Ganz für uns allein. Direkt an der Steilküste. Ein bisschen ausgesetzt. Verträumt. Mit Blick über den ganzen Atlantik. Und nur einen Steinwurf vom westlichsten Punkt Europas und dem Leuchtturm entfernt. Portugal Klischee par excellence würde ich sagen. Kitschig schön, mit viel Liebe zum Detail meint Alex, meine Freundin und Schmuckdesignerin aus Graz, die mit Freund Pippo gleich in die stillgelegte Windmühle einzieht.

Am nächsten Morgen kommt die Erkenntnis: Eine Windmühle steht meist dort wo auch viel Wind weht. Und so bläst uns am ersten Morgen der Atlantik-Wind und mit ihm das Portugal-Klischee so kräftig um die Ohren, dass ich kurzerhand Haube und Wind-Jacke auspacke.

Tiefgrüne Wälder & saftige Trails

Aufgrund des Motorschadens kurbeln wir am ersten Tag – direkt von unserer Unterkunft aus – die umliegenden Berge des Sintra Nationalparks hoch. Direkt hinter unserem Windmühlendorf, nur ein paar Kilometer hinter der schroffen Küstenlinie, verbirgt sich ein Eldorado aus tiefgrünen Wäldern. Dicht an dicht reihen sich die Bäume. Der starke Wind von vorhin? Hier drinnen keine Spur davon. Wir queren die ersten Wege und Joao erklärt uns die Besonderheiten, Tücken und Raffinessen der unzähligen Trails die ihren Weg von oben in alle Himmelsrichtungen nach unten finden.

Wir sind noch nicht mal eine Stunde am Bike und die Jungs fachsimpeln schon über Linien-Wahlmöglichkeiten. Alex, Sarah und ich suchen uns für den Anfang eine „chicken-line“. Nun sind wir definitiv „angekommen“ und ganz in unserem Element. Nach dem zweiten, dritten Trail wächst das Vertrauen ins neue Terrain und wir shredden dichte Lorbeerwälder, griffig saftige Trails und queren zum Abschluss unzählige wildromantische Holzbrücken. Am nächsten Tag geht es dann bereits mit Shuttle-Unterstützung noch viel öfter rauf und runter.

Essen für Biker

Den ganzen Tag biken macht bekanntlich auch ganz schön hungrig. Und zu meiner großen Freude kehren wir mittags in authentische kleine „refugios de ciclista“ ein. Denn wenn man schon in Portugal ist will man natürlich auch die kulinarische Seite Portugals kennen lernen. Also ich zumindest. Und ans Meer gehen! Also doch ein wenig klischeehaft unterwegs… Nun ja. Auch unsere gemeinsamen kulinarischen Ausflüge am Abend, die René organisiert, sind immer besonders intensive Gaumenfreuden.

Oktopus, Steak oder doch lieber Fisch? Wein muss auf jeden Fall auf unseren Tisch! Die feuchtfröhliche Gelassenheit der österreichischen Esskultur stößt sich jedoch ein wenig mit der Portugiesischen. Wir lachen zu viel. Essen zu laut. Und außerdem und überhaupt … Psssst … kommt es da vom Nachbartisch. Und beim Fado-Abend waren wir kurz vorm Rausschmiss …

Ihr wollt also ans Meer? Oooohhhh ja!

Und schon geht’s los: Raus aus dem Wald, über massive Felsnadeln, vorbei an Obelix-Felsen und Panorama-Aussichten bis an Sintras Küste. Der Abschluss-Trail des Tages lässt uns von nun an jeden Tag unsere Bikespuren bis ans Meer ziehen, verspricht der Opernsänger. Dort unten wo ihr den Strand sehen könnt werden wir zum Sonnenuntergang unser Bier trinken. Na das ist mal eine Ansage! Wir genießen jede Kehre, die tiefstehende Sonne, (achja: und die ganze Woche keinen Wind mehr) und bleiben öfters stehen als gewollt. Denn die Fotomotive reihen sich aneinander wie die Kieselsteine am Strand, an dem wir gleich unser kaltes Bier serviert bekommen.

So gefällt uns der Bike-Urlaub. Mein Freund Hannes ist ganz aus dem Häuschen und schlägt bei Sonnenuntergang Saltos am Strand. Da müssen Klaus und Pippo gleich mitmachen. Und schon bewegen sich unsere drei harten Bike-Kerle grazil und oberkörperfrei in Pirouetten und Saltos über den Sandstrand.

Mein neues Paradies

Vom Sandstrandfieber gepackt und von Sattelschmerzen geplagt, beschließen Alex, Pippo, Hannes und ich an unserem freien Vormittag die Bikes ruhen zu lassen und unserem Hausstrand, zweihundert Meter unter den Klippen, einen Besuch abzustatten. Praia da Ursa. Mein neues Paradies. Kaum zu glauben und Gott sei Dank, verschlägt es die Menschenmassen, die täglich mit den Touristenbussen an den westlichsten Punkt Europas gekarrt werden, nicht nach Praia da Ursa.

Zu groß und zu anstrengend sind die Strapazen, die die Flipflop-tragenden Touristen mit ihren Selfie-Sticks die Steilküste hinunter ertragen müssten. Unser Glück. Und genau die richtige „Strapaze“ für unseren freien Vormittag! Herrliche Wege, mal ganz steil und oben wieder flach, schlängeln sich die Steilküste entlang und finden hinter so mancher Klippe den Weg nach unten.

HALT! Wer fährt denn da drüben mit den Bikes entlang? Auf halben Weg in Richtung Meeresspiegel erhaschen wir Klaus und René auf der gegenüberliegenden Klippe. Sie shredden die Küstenwege die heute unsere Wanderwege sind. Unten angekommen präsentiert sich uns ein kilometerlanger Sandstrand zwischen steil abfallenden Wänden und mit Felsnadeln die schroff aus dem rauen Meer hervor stechen. Menschenleer. Mystisch. Portugiesisch. Ich will sofort auf die Felsvorsprünge klettern die ins Meer hinaus ragen. Bin wieder Kind und tue es. Einfach nur da sitzen, ins Meer hinaus schauen und an nichts denken. Alex, auch verliebt ins tiefblaue Meer, genießt wie ich die willkommene Abwechslung. Aber das soll es für heute noch nicht gewesen sein.

Ein Nightride in Lissabon

Lissabon muss man sich erlaufen, heißt es. Wir brechen mit der Regel und hauen uns auf unsere Bikes, denn René hat eine andere Vorstellung von Sightseeing und hat einen Nightride in unser Bike-Programm eingebaut. Mittags brechen wir also mit unserem Begleitfahrzeug in den Stadtteil Belém auf. Kurz darauf sitzen wir auf unseren Bikes und cruisen vorbei am Hieronymitenkloster, ein ziemlich prunkvolles Teil, genauer gesagt ein beachtliches Bauwerk mit strahlend-weißer Kalksteinfassade die in einer portugiesischen Variante der Spät-Gotik gehalten ist und auch einige Elemente der Renaissance und so ziemlich alle Sarkophage der ehemaligen portugiesischen Könige enthält. Also nicht die Fassade, sondern das Kloster …

Mit einem Architekten durch Lissabon biken bringt eindeutige Erkenntnisgewinne mit sich. Das gefällt mir. Aber bevor die Sightseeing-Tour weiter geht wollen wir uns noch ein wenig auspowern. Also auf nach Monsanto. Eine bewaldete Parkanlage, auch Lunge Lissabons genannt, im Herzen der Stadt. Sie beglückt uns mit flowigen aber auch schweißtreibenden Trails. Wir heizen die Stadtpark-Trails rauf und runter und fragen uns vermehrt, warum wir unsere stadtnahen Hometrails so toll finden. Monsanto kann definitiv mithalten und befindet sich mitten in der Stadt. Vom Sintra-Bike-Himmel in nur 30 Minuten Entfernung brauch ich jetzt gar nicht erst anzufangen, sonst flieg ich nicht mehr heim.

Eine Abfahrt ohne Wahl

Zurück in der Altstadt rollen wir über die spiegelglatten Pflastersteine und durch mittelalterlich-enge Gassen. Erstaunte und belustigende Blicke kreuzen unseren Weg und wir kreuzen die Wege der gelben Standseilbahn. Auch wir wollen die steilen Gässchen hoch. Denn die Aussicht von oben ist bekannterweise am schönsten. Auf zum nächsten „Miradouro“. Die Aussichtspunkte zählen nämlich zu den schönsten Plätzen der Stadt und geben weite Blicke über die Altstadt und den Tejo mit seinen Brücken frei.

Und all das inklusive beginnender Sonnenuntergangs-Stimmung. Perfektes Timing. Fast schon erwarten wir unser Bier. Wir sind halt Gewohnheitstiere. Aber heute steht noch eine Abfahrt an. Eine kultig-romantische. Eine ohne Linien-Wahlmöglichkeiten. Eine die ich nie mehr vergessen werde. Denn bei dieser Abfahrt geht es einfach nur hinunter. Über Stiegen und Treppen. Große, Kleine, Lange, Schmale… Endlose. Das Licht der Straßenlaternen spiegelt sich bereits auf den glatten Stufen. Wir überrollen sie. Eine nach der anderen. Tuck Tuck Tuck… Ja, Lissabon gehört eindeutig „erfahren“ und nicht erlaufen. Bei einer Kirche machen wir halt und kehren in ein Fado-Lokal ein. Punkt. Mit dem beginnenden Nachtleben rollen wir am Pier zum Ausgangspunkt zurück und beenden den Tag mit dem besten „Pasteís de Nata“, dass ich je gegessen habe.

Wenn Surfer auf Biker treffen

Es liegen noch zwei feine Tage Enduro-Spaß in Sintra vor uns. Die Jungs sind bereits so aufeinander eingefahren, dass sie sich die Trails und Sprünge in nur wenigen Metern Abstand hintereinander geben. Ich kann da nur staunen und bin froh, dass mir René nach meinen Stürzen die nötige Sicherheit am Bike zurückgibt. Nach zweimaligem Abstieg über den Lenker bin ich nicht mehr ganz so locker am Bike. Aber ich darf abwechselnd hinter den Guides fahren und René gibt mir hilfreiche Tipps. Unsere letzte Abfahrt zum Strand lässt auch mich wieder an Lockerheit gewinnen denn mittlerweile fühlt sich zumindest dieser eine Trail schon fast vertraut an. Unten angekommen schauen wir ein paar Surfern beim Wellenreiten zu. Sie sind in ihrem Element. Wir in unserem. Der Sonnenuntergang naht, das Bier in der Hand und wir Biker sind uns einig: Portugal – definitiv eine Bike-Destination.

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Schafalarm in der Provence

Ich begann bereits früh mit meinen Vorbereitungen – am allerwichtigsten dabei: die Ernährungsumstellung auf die Frankreich Diät BBR … von früh bis spät Brie, Baguette und Rotwein. Nur so dachte ich, sei ich für die Trans-Provence ausreichend gerüstet. Ein Großteil meiner aufgestauten Energien war allerdings bereits nach der 12-stündigen Anreise wieder verflogen. Hinzu gesellten sich müde Beine und Kreuzschmerzen die ich der langen Autofahrt zu verdanken hatte. Doch meine Leiden waren bei An- und Ausblick unserer ersten Unterkunft schnell vergessen. Leicht erhöhte Hanglage, Exposition Südwest, ein wolkenloser, warmer Herbsttag dessen letzten Sonnenstrahlen das alte steinerne Gemäuer in magischen Glanz hüllten. Irgendwie war’s schon fast kitschig. Eigentlich sogar richtig kitschig.

Die weiße Bestie

Das Abendessen war originell, exquisit, französisch: Brie, Baguette und Rotwein. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Das Frühstück am nächsten Morgen brachte, wie soll es auch anders sein, kaum Neues auf den Speiseplan. Lediglich den Rotwein konnte ich nicht finden. 

Bei etwas Hochnebel, Sonnenschein und den Farben eines perfekten Indian Summers starteten wir mit Spannung und Vorfreude in unsere Durchquerung der Seealpen. Die Stimmung war ausgelassen und ungetrübt … Oder vielleicht doch nicht ganz? Die kleine Gute-Nacht-Geschichte des Vorabends, über die “Weiße Bestie der Provence”, hatte sich in unser Kleinhirn gebrannt … 

Eigentlich nur als kurze Info gedacht, wurde der Mythos des französischen Hütehundes geboren: Diese bewachen im Sommer autarke Schafherden und verteidigen sie gegen natürliche Feinde wie Wanderer, Mountainbiker und Wölfe. Die Hunde sind dementsprechend groß und kräftig und können einem Gerücht(?) zufolge letzterem mit links das Genick abbeißen. Na bumm, schöne Aussichten für die kommenden Tage. Nicht, dass ich mir Sorgen um mein Genick gemacht hätte, aber wer weiß was so ein Hund mit meinem Bike anstellen würde?

Hinter jeder Kurve oder Querung lauschten wir gespitzt nach Schafglocken, um den gut getarnten Monstern nicht in die Arme sprich vor die Fänge zu laufen. Zusätzlich waren auf den Hochebenen Schilder im Comic-Stil mit gut gemeinten Verhaltensregeln angebracht. Aber selbst diese konnten kaum jemand gänzlich beruhigen. 

Tarn-Gelände

Die Provence und die Seealpen sind ein sehr abwechslungsreiches Gebiet, Farben und Formen der Landschaft änderten sich für uns im Tagesrhythmus. Sogar die Erde wechselte ihre Tönung, vom altbekannten braun zu schwarz bis hin zu knallroten Farben. Die bunt durchgemischten Bike-Klamotten waren von nun an nicht nur zum Aufpeppen der Fotos da, sondern wurden auch zur Tarnkleidung (vor der Bestie).

Doch bei Fahrspaß ohne Ende, war die Angst vor den weißen Riesen dann doch schnell wieder vergessen. Und als uns ein Wirt in der Taverne einmal mitteilte, dass die Schafe um diese Jahreszeit sowieso bereits im Tal seien, war dieses Thema mit einem allgemeinen Seufzer der Erleichterung erledigt.

Jeden Tag brachen wir zeitig auf. Immerhin legten wir täglich knapp 1.800 Hm bergauf und ein Vielfaches bergab zurück und um diese Jahreszeit sind die Tage nicht mehr die längsten. Unsere Route deckte sich großteils mit der des Mavic Trans-Provence Enduro-Rennens. An manchen Stellen konnte man die Wegführung noch erkennen, doch die meiste Zeit hatten wir eher das Gefühl, die ersten Biker in der Region zu sein, ja vielleicht sogar die ersten Biker in Frankreich.

Nein, die ersten Biker überhaupt, die allerersten! Wir waren die Herrscher unserer Welt und surften von Sonnenauf- bis Untergang die Trails ohne auch nur einen Höhenmeter sinnlos auf Asphalt zu vergeuden. Und neben dem Endorphin-Rausch regte sich in uns auch noch ein klein Wenig die Vernunft: Die Tatsache, dass hier vor wenigen Wochen mehr als 70 Biker im Renntempo an Schafherden vorbei rasten und nirgends entlang der Strecke halb-verdaute Rennfahrer-Kadaver herumlagen, ließ auch die hartnäckigste Hütehunde-Phobie nun endgültig in den Hintergrund rücken … 

Schaf-Alarm

Wir hatten gut die Hälfte der Reise hinter uns und befanden uns gerade auf einer Hochebene auf ca. 1.900 m Seehöhe. Als wir mit Mach 3 um die nächste Ecke bogen waren sie plötzlich da, die Glocken des Schreckens, oder zumindest die der Schafe … Wie versteinert blieben alle stehen und nahmen die dunklen Sonnenbrillen ab um die als Schaf getarnten weißen Bestien zu erspähen. Und da waren sie, mitten in der Herde. Ein Umweg musste gefunden werden, um den Hunden nicht als Vor-, Haupt- und Nachspeise gleichzeitig zu dienen. Und weil die Schafe offenbar auch die Wanderwege dem unwegsamen Geländes links und rechts davon vorziehen, wurde unser Umweg richtig lang, richtig anstrengend und richtig abenteuerlich. Hätten wir eine Jungfrau zur Hand gehabt, die sich hätte opfern lassen, wer weiß… 

Gerade als wir die letzten Schritte wieder Richtung Weg machen wollten entdeckten wir ihn – den König der Hütehunde. Größer als alle anderen, mächtiger als wir es uns vorgestellt hatten … Da lag er, mitten auf dem Weg und beobachtete seine Schäfchen aus guter Distanz. Unser letztes Stündlein schien geschlagen. Langsam schlichen wir uns weiter. Ob er uns wohl schon bemerkt hat? Was für eine Frage – der hatte unseren Angstschweiß wahrscheinlich schon vor 30 Minuten gewittert. Als wir mit dem Maximalpuls der ganzen Woche endlich an ihm vorbei waren, hatte er sich noch immer keinen Meter von der Stelle bewegt – und außer einem müden Blick mit verschlafenen Augen widmete er uns keinen Moment seines Daseins. Es schien fast so, als könnte man den knuddeligen und wuscheligen Wachhund zu einer Runde Bauch-Streicheln überreden. Das war er, der Schrecken der Provence … 

Das letzte Stündlein schlug dann aber doch noch, und zwar für eine traumhafte Tour. Mit dem Bike ging’s bis runter an die Cote d’Azur … bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein rollten wir mit Meerblick und Triumphzug-Feeling die letzten Meter Wanderweg bis an die Küste runter. Ein Bad im noch warmen Mittelmeer, Brie, Baguette, Rotwein – wir brauchen ja nicht viel um glücklich zu sein. Und auch wenn das Wort Heimreise immer mit Wehmut verbunden ist – zu neuen Abenteuern aufbrechen kann man bekanntlich nur, wenn man vorher wieder nach Hause fährt.

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Mountainbiken in Sintra

Reisefieber

Eine meiner (für mich) unangenehmsten Macken ist die unbändige Vorfreude auf ein neues Abenteuer, die mich in der Nacht bevor ‘es’ losgeht selten ein Auge zumachen lässt. Wenn dann das Taxi um 04:00 Uhr morgens vor der Tür steht und ich wenig später zwischen Bikes und Taschen geklemmt Richtung Flughafen unterwegs bin, pushen mich meine körpereigenen Drogen stärker als drei doppelte Espressi. Holger und Rene dagegen schlafen noch mit offenen Augen.
Einen Monat zuvor hab ich noch meinen Ski-Sack zum Sperrgepäck gehievt, diesmal rollert gemütlich der Bike-Bag neben mir her: Destination Süden! “Land des Pastel de nata und Portwein: für die nächste Woche bist du mein!”

Kurz, kurz!

Die Sonne die uns in Lissabon begrüßt, fühlt sich an wie eine herzliche Umarmung. Die kurz-kurz Saison ist somit eingeläutet. Endlich im Portugal Surfcamp von Martin Roll angekommen, krame ich als erstes die Flip-Flops aus der Tasche. Doch bevor wir überhaupt eine Chance haben, unsere Bikes zusammen zu bauen, steckt uns Holger schon in einen dicken Neopren Anzug und drückt uns ein Board unter den Arm. Swell, Tide und noch ein paar Fach-Jargon Begriffe, die ich nicht verstehe, wären gerade so toll und sowieso und überhaupt wir müssten das jetzt machen.

Surfboard != Luftmatratze

Abgesehen davon, dass so ein Neoprenanzug so ziemlich der unangenehmste Pyjama ist, den man sich vorstellen kann – ein Surfboard ist auch keine Luftmatratze zum Chillen. Und wenn es auch sonst schon frühsommerlich scheint, der Atlantik ist im April so richtig kalt. Ein Bergsee erinnert da im direkten Vergleich eher an ein Thermalbecken. Ich hab’s ehrlich versucht. Nach der gefühlten hundertsten Nasen- und Gehörgangspülung beschließe ich für mich, als Einwohnerin eines Binnenlandes ist es völlig ok, wenn ich Wasser in anderen Aggregatzuständen den Vorzug gebe. Außerdem kaschieren die Freeride-Jerseys Problemzonen wesentlich besser als so eine Ganzkörperzwangsjacke. Soviel dazu. Yes, WE can: WEride.

Ich bleibe lieber an Land und führe mein wunderschönes Bike seiner Bestimmung zu. Wir sind ja nicht einfach so nach Portugal aufgebrochen, wir wollen ausgiebig scouten. Und wir haben uns mit Locals zum Biken verabredet. Diese Locals nennen sich WEride und sind ein sympathischer Haufen aus Nebenerwerbs-Guides, mit viel Enthusiasmus und Freude an der Sache – genau unsere Wellenlänge. Unter dem blauen WEride Trikot verstecken sich ein Geschichte-/Englisch Lehrer, ein Architekt und ein Opernsänger. Interessante Menschen die viele spannende Sachen zu erzählen wissen. Mit einem einheimischen Architekten durch die geheimsten Gassen von Lissabon fetzen? Da schauen Lonely Planet, Baedeker und Konsorten arm aus dagegen.

Sintra

Unser erstes Meet & Greet & Ride haben wir in Sintra. Diese Region liegt westlich von Lissabon an der Küste und markiert den westlichsten Punkt Kontinentaleuropas. Die Kulturlandschaft Sintra zählt seit 1995 zum UNESCO Weltkulturerbe.

“Wir fahren bergauf lieber gemütlich und lassen es bergab dann krachen,” werden wir kurz über die persönlichen Vorlieben unserer Guides in Kenntnis gesetzt. Mit einem ungläubigen Blick schau’ ich abwechselnd in Hugos lachende Augen und auf sein 34er Kettenblatt. Sein nigelnagelneues Carbon Enduro glänzt in der Sonne und ich pappe mir noch eine Schicht Sunblocker auf meine Beinchen mit der Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch eine zaubertrankartige Wirkung entfalten möge. Wenigstens riech’ ich gut.

Kurze Zeit später stehen wir in einem dichten, feuchten Wald, die Trails schnell und auch steil, teilweise mit gebauten Sprüngen und Anlegern, dazwischen immer wieder moosige Steine und nasse Wurzeln. Stellen zum Tüfteln, Baumslalom, kleine Holzbrücken und Furten. Seltsamerweise ist es stellenweise sogar neblig obwohl es sich eigentlich um einen herrlichen Sonnentag handelt. Die Sonnenbrille ist hier drinnen viel zu dunkel.

Wer später bremst ist länger schnell

Die Jungs geben Gas und lassen es tatsächlich krachen. Holger und Rene heften sich einfach an Hugos und Miguels Hinterrad. Mir fehlt diese Art Urvertrauen und ich suche mir meine Linie lieber selbst. Wenn ich aber zu weit abreissen lasse, hab ich ganz schön zu tun, an den Herren dran zu bleiben. Denn jetzt werden die 34 Zähne gezeigt: sobald es etwas flacher wird, gibt es kein erholsames Dahinrollen und in die Gegend schauen, sondern stand-up pedalling bis die Oberschenkel brennen. Na gut, dann eben der Trainingslager-Modus. Mit meinen 30 Zähnen und dem fehlenden Widerstand im schwersten Gang komme ich mir wie ein Schaumschläger vor.

Die Zeit verfliegt und nach sieben Stunden und einigen Abfahrten haben wir ordentlich Höhenmeter in den Beinen. Doch das Beste kommt zum Schluss und nennt sich ‘Donkey Trail’: ein scheinbar endloser Pfad im Küstengebiet, immer Richtung Westen, der uns dann doch noch gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang an einem einsamen Strand ausspuckt. Wir sind überwältigt. Und haben einen Bärenhunger. Glücklicherweise kennt Hugo auch da die richtige Adresse und ich koste meinen ersten Bacalhau, der tatsächlich schmeckt.

Lissabon und Monsanto

In Lissabon übernimmt Joaõ. Besser gesagt im Parque Florestal de Monsanto. Nein, hier geht es nicht um Pestizide und Gen-Mais, hier handelt es sich um das 900ha große Naherholungsgebiet der Lisbeotas. Ein um 1930 von Architekten angelegter Park oder besser gesagt, ein Hügelgebiet, das zu diesem Zweck komplett aufgeforstet und durchgeplant wurde. Hier gibt es Reitwege, Klettergärten, Sportstätten, …. und natürlich Trails, Trails, Trails für uns Biker! Aufgrund dieser Wegevielfalt sollte man sich natürlich nicht verlieren. Und passiert es doch, schlägt es sich auf die Roaminggebühren: “Beim Bienenstock links?” – “Da war doch gar keine Abzweigung und überhaupt: welcher Bienenstock?” Auf Reifenspuren verlassen kann man sich hier nicht, die führen mehrfach in alle Richtungen, Monsanto beherbergt die Hometrails der Lissaboner Biker-Szene. Dementsprechend sind sie auch gehegt und gepflegt und vor allem: befahren.
Wir genießen den ganzen Tag diesen riesigen Spielplatz, bis Joaõ uns am späten Nachmittag in die Innenstadt lotst. Eine City Tour mit dem MTB.

#DingeMitDenenIchNieGerechnetHätte. Es ist ja schon toll, überhaupt noch eine der alten Straßenbahnen zu sehen. Aber selbiger mit dem Bike nachzufahren, ist nochmal etwas Anderes. Erinnerungen an frühere Besuche kommen hoch, doch damals immer nur langsam und ermüdend per pedes und diesmal kann ich ganz entspannt durch die Fuzo cruisen, mit Fahrtwind im Haar und ohne billigem Stadtplan der an den verschwitzten Fingern klebt.

Rapunzel hört Fado

Um Acht haben wir ein Tisch in einem kleinen Familienrestaurant reserviert. Die Bikes parken vor dem Eingang und blockieren fast die gesamte Gasse. 
Joaõ kennt die Inhaber und sie bieten nicht nur ausgezeichnete traditionelle Küche sondern genauso tollen Fado.

Wir lernen schnell, dass man, sobald zu spielen und singen begonnen wird, besser leise kaut und schon gar nicht tratscht. Leider verstehe ich kein einziges Wort, aber es ist auf alle Fälle seeeehr dramatisch. Vermutlich kennt jemand jemanden der jemanden kennt, der einmal im Lotto gewonnen hat und der Schein ist mitsamt dem Haus abgebrannt? Oder der gutaussehende Jüngling muss aus politischen Gründen die Heimat verlassen, die Verlobte verspricht zu warten, bis sie ihn mit 80 aufgrund fortschreitender Demenz endlich vergessen kann, eine graue Strähne blitzt auf im Licht des Sonnenuntergangs, Fade Out, Blende, Szenenwechsel. Meine Phantasie nimmt jedenfalls Fahrt auf und ich bin bestens unterhalten.

Damit man nicht zu lange auf dem Trockenen sitzt, klappert die Hausherrin in den Spielpausen ihre fünf Tische immer wieder ab. Der Schein mag trügen, aber unseren Tisch besucht sie besonders oft. Und jedes mal rückt sie näher an mich heran, streichelt mal meine Wange, mal meine Haare. Es hilft auch nichts, nicht auszutrinken. Saperlott, was soll das?

Ich hätte es ahnen können, der Grund ist meine rote Mähne. Kurze Zeit später heiße ich offiziell Rapunzel und wir bekommen ein dickes Gästebuch mit der Bitte uns einzutragen. Was liegt da näher, als den Zopf herunter zu lassen? Mit meinem Leatherman kann man nämlich nicht nur Kabelbinder abzwicken, der schneidet auch ganz passabel Haare. Jetzt klebt da neben unseren Namen auch eine rote Locke und die Aktion hat mir zu den ganzen Streicheleinheiten noch einen fetten Schmatz beschert.

Nightride und Soulmates

Joaõ hat uns gewarnt nicht zu viel zu essen, das war natürlich umsonst. Der Anstieg zur Burg setzt meinem vollem Magen zu und die Beinmuskulatur beschwert sich über die ungerechte Blutverteilung. Wer die Altstadt nicht kennt: die Straßen sind zum Teil sehr steil und die Gassen gleichen öfter Stiegenhäusern als Gehwegen.

Die Burg wird leider gerade vor unserer Nase zugesperrt, also kurbeln wir weiter zum Mirador und genießen einen traumhaften Blick hinüber zum Barrio Alto und auf die Lichter der Stadt. Und hier startet die letzte Abfahrt des Tages: Über die vielen Stiegen und durch die schmalen Gässchen, vorbei an flanierenden Touris die gleich mal ihre Handys zücken bis direkt ans Ufer des Tejo und zum Triumphbogen. Wir fahren auch Teile der Strecke des City-Downhills. Manchmal habe ich mehr Glück als Verstand, dass mein noch ungewohnt breiter Lenker nicht doch einmal bei einem Stiegengeländer einhakt. Unten angekommen sind wir endorphingepusht und wieder putzmunter.

Doch was tun mit der angebrochenen Nacht? Richtig. Biken. Von der Baixa Pombalina starten wir in das Bairro Alto. Die Bohemianecke und das Kneipenviertel der Stadt und Joaõ kennt die beste Eisdiele. Das und tiefsinnige, bikophile Gespräche gehen immer. Danach treten wir gemütlich durch das Partyvolk und genießen das Nachtleben als Zaungäste mit. Und irgendwann kommen wir doch zur U-Bahnstation denn den letzten Zug, der uns zum Monsanto und zu Martins Bus zurückbringt, dürfen wir nicht versäumen. Ein Stiegenrun zum Ticketschalter, nach dem Drehkreuz müssen wir die Bikes leider schieben. Hinter uns liegen über 12 Stunden intensives Leben.

Ericeira und Küstenblume

Die restliche Zeit erkunden wir das Umland von Martins Surfcamp in Ericeira auf eigene Faust. Wir nehmen auch den Küstenwanderweg unter die Lupe. Um diese Jahreszeit zeigt die sonst eher spärliche Vegetation ein buntes Blumenkleid. Anstiege sind schnell einmal Tragepassagen doch der Blick aufs Meer entschädigt. Wobei Holger tendenziell bei besonders schönen Wellen zappelig wirkt. Ich glaube, das sind die Momente, wo sich sein Surferherz mit dem MTB-Herz wilde Kämpfe liefert. Landratten wie ich haben solche Probleme glücklicherweise nicht, eh schon wissen 😉

Rene muss bei einem Lunch-Break feststellen, dass es nicht klug war, mich ohne genauem Auftrag, hungrig und mit seinem Geldbörserl in eine Pastelaria zu schicken. Vielleicht hab ich ja wirklich etwas übertrieben mit den zwei Tabletts, aber wenn es schon einmal irgendwo Pastel de nata in so vielen unterschiedlichen Varianten gibt, muss man sich da durchkosten. Und aus meiner Sicht hat es sich definitiv gelohnt!

Wir genießen unsere Zeit und sammeln Eindrücke, Glücksmomente und Sonnenstunden. Bei Martin im Portugal Surfcamp geht’s uns prächtig. Wo normalerweise die Boards vom Salzwasser befreit werden, duschen wir den Staub von unseren Bikes und zumindest farblich passen die Räder auch zum sonst doch eher surflastigen Garageninventar.

Am Surfboard führt kein Trail vorbei

Doch gegen Ende der Woche besteht Martin darauf, dass wir es nochmal mit dem Surfen versuchen und steckt uns kurzerhand zu Flavio in den Anfängerkurs. Wir müssen in den HabMichLieb-Suits den Strand auf- und abjoggen, trockenpaddeln und zigmal auf Kommando aus dem Liegestütz auf das Board hochspringen. Hab ich schon erwähnt, dass diese Neoprenanzüge auch nicht sonderlich atmungsaktiv sind? In kurzer Zeit ist mir so heiß, dass ich den eisigen Atlantik herbeisehne.
Die Strömung ist viel stärker als Anfang der Woche, ich muss mich regelrecht durch das Weißwasser zu Flavio durchkämpfen. Bei ihm angekommen würde ich gern erstmal verschnaufen aber das geht nicht, hier geben die Wellen den Takt vor und die kommen in kurzen Abständen. Ich kann nicht auf den Augenblick warten, wo ich mich bereit fühle, ich muss mich absolut anpassen und bereit sein wenn der Augenblick kommt. Das ist mir neu und vermutlich meine größte Herausforderung.

Und irgendwann, nach dem vielten Tauchgang, gelingt es mir dann, nicht nach vorne einzuspitzeln oder nach hinten oder seitlich wegzukippen sondern einfach nur aufzustehen und stehen zu bleiben. Und ganz kurz hab ich eine leichte Ahnung davon, wie es sich anfühlen könnte. Und schon ist das Wasser nur mehr knöcheltief und der Spaß vorbei.

Wer weiß, vielleicht bin ich ja doch keine so ausgeprägte Landratte sondern noch ausbaufähig? Aber das herauszufinden hat noch Zeit. Und bis dahin ist mein Drahtesel mein bester Freund. Und Pastel de nata. Und Portwein. Und Portugal schon auch ein bisserl.

Text: Maria Sendlhofer-Schag

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Sehr schottisch

Komfortzonen stinken

Jeder kennt sie, die ewige Frage … Wohin soll es auf Bike-Urlaub gehen. Luxusproblem? Mag sein. Aber wie schon Neo so schön zu sagen pflegte: „Entscheidung. Das Problem ist die Entscheidung“. Ich grüble. „Hmmm, vielleicht im Sommer nach Italien. Wieder mal nach Finale wär’ fein. Sonne, fette Trails, Pizza, Vino, Amore … Klingt fein. Ja, das ist es. Mein Telefon klingelt. Klaus ist dran.

Er so: „Hannes, ich will nach Schottland Trails auskundschaften und Du kommst mit.“
Ich so: „Du spinnst doch.“
Er so: „Toughen up, princess.“
Ich so: „Aber ich will doch nur …“
Er so: „Keine Widerrede.“
Ich so: „Pfui.“

Ich lege angewidert auf. Was war das denn? Nach Schottland? Der spinnt doch. Da gibt’s doch nur Regen, Rinder und Haggis. Ich will’s doch nur schön haben. Und plötzlich – ein Moment der Mikro-Erleuchtung: Oh Gott, die Komfortzone hat mich. Wie konnte das denn passieren? Hinterhältig hat sie sich in Form meiner senfgelben Couch an mich herangepirscht und ihre kuschelig weichen Fangzähne in mein Rückenfleisch versenkt. Ich, ein Schönwetter-Biker? Das kann so nicht weitergehen. Ich brauche eine Dosis Abenteuer, vermischt mit etwas Unannehmlichkeit und Ungewissheit. Ich zücke mein Handy und schreibe Klaus: „I’m in.“

Lektion 1: Don’t trust the weather

Ein paar Wochen später: Klaus und ich überqueren die Englisch-Schottische Grenze. Nach einem fetten 2-tägigen Road-Trip sind wir endlich angekommen. Wir steigen aus. Es regnet und das Thermometer bewegt sich im einstelligen Plus-Bereich. Es ist Juni, wohlgemerkt. Ich ziehe alles an, was die wasserdichten Plastikkisten, in denen wir unser Zeug schlauerweise verstaut haben, hergeben. Klaus quittiert das Wetter mit einem „Sehr schottisch“.

Wir fahren weiter. Erster Stop: Das berühmte Tweed Valley. Naja, wir kannten es bis zu unseren Reise-Recherchen nicht, aber das will ja nicht unbedingt was heißen. Und weil wir schon beim Thema „Recherche“ sind: Bei der Planung unserer Anreise hatten wir wohl übersehen, dass genau einen Tag vor unserer Ankunft das größte Bike-Festival auf der Insel – das Tweed Love Festival – zu Ende gegangen war. Da gibt’s wohl noch Verbesserungs-Potenzial. Macht ja nichts. Hauptsache wir sind da, haben genug (wasserdichte) Kleidung, Bier und Kohlenhydrate am Start.

Überrascht sind wir, als wir am darauffolgenden Tag unsere erste Tour starten. Sonne? Das Wetter ist ja gar nicht so übel, wie immer alle sagen. Rückwirkend betrachtet war ich zu diesem Zeitpunkt wohl etwas naiv denn ca. drei Stunden später schieben Klaus und ich unsere Bikes einen steilen Hügel hoch. Glücklicherweise hilft uns der von hinten kommende, orkanartige Wind enorm dabei. Das Glück weicht jedoch relativ rasch dem Unbehagen. Es beginnt zu Regnen und obwohl uns der Wind noch immer beim Absolvieren der hartnäckigen Höhenmeter unterstützt, tut er dies nun mit einer deutlich feuchteren Handschrift. Nach einer rutschigen Abfahrt sind wir heilfroh, wieder zurück bei unserem Auto zu sein. Regen und Wind haben sich gelegt und wir genießen unser wohlverdientes Mittagessen im Freien. „War hart aber fühlt sich gut an“, sage ich. „Sehr schottisch“, antwortet Klaus.

Lektion 2: Listen to the locals

Fort William ist wohl jedem eingefleischten Biker ein Begriff. Alljährlich versammelt sich hier der Weltcup-Zirkus und die schnellsten Männer und Frauen auf Stollenreifen prügeln ihre Downhill-Boliden in Richtung äh, nach unten halt. Umso verwunderlicher ist die gespenstische Ruhe, die wir bei unserer Ankunft am Parkplatz vorfinden. Wo sind denn alle? Nur japanische Touristen? Are you kidding us? Etwas verwirrt statten wir dem Bikeshop an der Talstation einen Besuch ab, um uns über die Strecken zu informieren. „There is a lot of wind so keep your tires on the ground“, rät uns der jüngere der beiden Mechaniker, die im Shop arbeiten. „And wear a full face!“ Jaja, alles klar. Schnell sind die Ratschläge abgetan, die Gondel ist bestiegen und ehe wir uns versehen, finden wir uns an der Bergstation wieder. Immer wieder streifen uns verwunderte Blicke von Touristen, welche sich auch auf der Downhill-Strecke und dem „Red giant“, der eine etwas leichtere Alternative zum doppel-schwarzen Monster daneben darstellt, zu Fuß herumtreiben. Schräge Stimmung, fast wie in einer alten Western-Stadt, in der von der Sonne benommen Hunde herumstreunen.

Wir fahren los. Der schmale Boardwalk bietet wenig Platz für Fantasie und der Wind droht uns von der Seite in den Abgrund zu stürzen. Immer wieder wechseln verblockte, steile Passagen mit engen Anlegern und von Meter zu Meter gewinnen wir mehr Vertrauen in Untergrund, Bike und Körper. Flow stellt sich ein. Bis wir die „Windy Corner“ erreichen. Ich erblicke in einigen Metern Entfernung einen kleinen Absatz, trete kurz in die Pedale und ziehe ab. Der Wind packt mich und ich komme gerade Mal so wieder „rubber side down“ am Boden an. Schnell werfe ich mein Bike zur Seite, drehe mich um und will Klaus warnen. Aber zu spät. Er zieht ab und just in diesem Moment zieht ihm eine fette Böe Bike und Beine weg. Quer zum Boden segelt er durch die Luft und zielt einen fetten Felsen an, den er auch erfolgreich trifft. Er bleibt mit dem Gesicht nach unten liegen. Ich nähere mich ihm langsam von hinten und Male mir Bilder von Gesichtsrekonstruktionen und ausgeschlagenen Zähnen aus. Klaus dreht sich um. Alle Zähne sind wo sie sein sollen. Nur sein roter Bart schein sich zu verflüssigen. Dunkelrot tropft es auf den weißen Stein. Der Typ an der Talstation hatte wohl recht …

Lektion 3: Skye is our limit

Skye ist wohl spätestens nach Danny Macaskill’s „The Ridge“ jeder Bikerin und jedem Biker ein Begriff. Die majestätische Insel in den Inneren Hebriden weiß zu begeistern – auf vielen Ebenen. Zahlreiche Whisky-Destillerien, Fisch-Lokale und nicht zu letzt die wilde Naturkulisse sprechen für sich. Naja, theoretisch jedenfalls. Bei unserer Ankunft ist von Landschaft nämlich nicht viel zu sehen. Dicke Regenwolken rollen über die Hügel und Wiesen und der Wind kommt mit Mach 3 aus allen Richtungen. Da heißt es wohl „abwarten und Tee trinken“. Am nächsten Tag hat sich das Wetter beruhigt und wir starten los. Am Programm stehen 15 km und 200 Höhenmeter – easy peasy. Denkste. Der Trail entpuppt sich als Trial-Herausforderung und nachdem sich alle unsere Schläuche verabschiedet und das mitgebrachte Flickzeug als unbrauchbar herausgestellt hat, steht Klaus mit einem Platten da.

Also mache ich mich alleine auf den Weg zurück zum Ausgangspunkt der Tour und unserem Auto. Doch der gewählte „Trail“ entpuppt sich als eine Art Moor. Ich wate also durch knietiefen Schlamm, das Bike geschultert und denke an Italien. Der Tiefpunkt der Stimmung und Höhepunkt der Anstrengung ist für mich erreicht. Es beginnt zu regnen – haha. Irgendwann später komme ich dann doch noch beim Auto an, vertilge gefühlte drei kg Bananen, schütte eine Galone Kokosnusswasser in mich hinein und mache mich auf den Weg zu Klaus. Als ich ihn eine halbe Stunde später am Straßenrand stehend erblicke, sieht er desillusioniert aus. Es hatte drei Stunden von unserer Trennung bis zu unserem Wiedersehen gedauert. Drei Stunden im Regen. Drei Stunden ohne Handy-Empfang. Drei Stunden umringt von Schafen im tiefsten schottischen nirgendwo. Wir sprechen kaum. Erst am Abend, als wir uns in Torridon einen Hirsch-Burger und ein Bier einverleiben, löst sich die Stimmung. „Sehr schottisch“, sagt Klaus und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Lektion 4: Schottland hat ein Happy End

Schottland ist rau und wild. Das Wetter ist eine Katastrophe und die Stechmücken im Sommer eine Plage. Warum sollte man also dort hin wollen? Weil Schottland atemberaubend schön ist. Allerdings handelt es sich dabei um eine Art von Schönheit, die sich dem flüchtigen Blick entzieht und erst bei genauerem Hinsehen ihre ganze Pracht zeigt. Die Berge in den Highlands sind wie aus dem Bilderbuch, das saftige Grün der Landstriche beeindruckend. Das Essen ist entgegen der landläufigen Meinung großartig – allein die Fischgerichte, die man auf Skye serviert bekommt, sind eine Reise wert. Die Schotten selbst – vor allem durch ihre derbe Ausdrucksweise sehr grob wirkend – sind bei näherem Kennenlernen herzlich, offen und extrem hilfsbereit.

Nicht nur einmal hat sich ein Mitarbeiter eines Bikeshops für uns viel Zeit genommen, um mit uns Routen-Optionen durchzugehen und vor Ort Touren zu planen. Die Infrastruktur für Biker ist ein Hammer und man merkt, dass die schottische Regierung viel Zeit, Mittel und Energie dafür aufwendet, Schottland als DIE Bike-Destination in Europa zu etablieren. Fast überall darf man sich frei mit verschiedensten Fortbewegungsmitteln bewegen, solange sie nicht motorisiert sind. „Freedom to roam“ nennen die Schotten stolz diese Recht, dass sie sich hart erkämpft haben – da kannst du dir eine Scheibe davon abschneiden, liebes Österreich. Trail-technisch findet man in Schottland alles von hochalpinen Touren in Aviemore und Torridon bis hin zu Märchenwald-Matsch-Rutschen in Innerleithen.

Vieles spricht also für dieses sagenhafte Land. Wenn euch also die Komfortzone fest im Würgegriff hat, dann packt euer Bike und eure beste Regenmontur ein, sagt eurer Couch und den Kartoffel-Chips Lebewohl und begrüßt das grüne Land am nördlichen Ende der Insel.

Text & Fotos: Hannes Abel / Klaus Fürnschuss

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Bike & Yoga Reloaded

Bike und Yoga – zwei Dinge die für viele auf den ersten Blick vermutlich nicht so gut zusammenpassen. Nach einem Wochenende am Weissensee wird man aber definitiv eines besseren belehrt und kann sich das Eine kaum mehr ohne dem Anderen vorstellen.

Schwitzhütte vom Feinsten

In einer Saunahütte mit traumhaften Seeblick startet man mit Yoga-Trainerin Maria kraftvoll in den Tag. Kaum zu glauben, welche Energien sie um diese unchristliche Zeit in allen von uns wecken kann. Voller Power dank Yoga und dem anschließenden Frühstück schwingt man sich hoch motiviert in den Sattel und erkundet das absolute Trail-Paradies rund um den Weissensee.

Fliegende Holländer?

Mitten im Grünen, auf 94 0m Seehöhe, liegt der höchstgelegene Badesee der Alpen. Zugegeben, die Temperaturen sind nicht immer ganz so einladend, aber die Farbe ist es *g*. Im Winter besonders begehrt von tausenden Holländern, die ihren Eislaufkünsten frönen, ist an den ersten ruhigen Herbsttagen noch nicht viel von diesem Trubel zu spüren. Die Ruhe vor dem Sturm vermutlich. Apropos Sturm, die heurigen Wetterextreme ließen leider auch die dichten Wälder rund um den See nicht unverschont.

So kommt es schon mal vor, dass der eine oder andere Baum unseren Trail kreuzte, meist leider dann doch zu hoch um es als Bunny-Hop Herausforderung anzunehmen. Trotz dieses Handicaps werden wir von den Guides in ein wahres Trail-Wunderland entführt, welches uns in nur kürzester Zeit in seinen Bann zieht. Nicht einmal die weiße Pracht von Frau Holle, welche die ersten Tiefenmeter der Trails in ein Fahren auf rohen Eiern verwandelt, kann unsere Freude schmälern. Unsere zurückgelegten Höhenmeter werden außerdem meist mit strahlendem Sonnenschein am Gipfel oder mit himmlischen Apfelstrudel in urigen Hütten belohnt.

Das Leben ist nicht gin-los

Ausgepowert und voller Glücksgefühle kehrt man, nach einer anschließenden After-Bike-Yoga-Einheit, zur wohl schönsten Unterkunft des ganzen Weissensees zurück – zum Biohotel Gralhof. Der über 500 Jahre alte Bauernhof wird nun schon seit 10 Jahren von Cori und Michi mit vollem Herzblut geführt und überzeugt auf der ganzen Linie. Angefangen von den gemütlichen Zimmern über das herrliche Bio-Frühstücksbuffett – hier bleiben keine Wünsche offen. Das absolute Highlight im Gralhof ist aber das grandiose Abendessen, über das sogar am Trail pausenlos geschwärmt wird.

Jeden Abend serviert Michi, der sich untertags auch immer wieder mit uns aufs Bike schwingt, vier himmlische Gängen, bei denen ma sich einfach nicht entscheiden kann, welcher nun der beste ist. Zum krönenden kulinarischen Abschluss gibt es dann noch ein, zwei Gläschen vom leckeren Bio-Gin. Zu mehr sollte man sich nicht hinreißen lassen, weil um Punkt 7:00 Uhr morgens der Tag auf der Yogamatte gestartet wird.

Alles in allem ein perfektes Wochenende, sowohl am Bike als auch auf der Matte.

Text: Nina & Flo

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Berge, Fjorde und Trolle

Utrolig, so würden wohl die Einheimischen diese Woche in Norwegen bezeichnen. Und nein, es hat nichts mit den trolligen Fabelwesen zu tun, die im hohen Norden ihr Unwesen treiben. Es bedeutet schlichtweg „unglaublich“. Nicht mehr und nicht weniger. Und eben genau so unglaublich war sie, diese Woche in Romsdalen.

Wetterkapriolen in Norwegen

Denkt man ans herbstliche Skandinavien, schießen wohl zu allererst Bilder von düsteren Nebelschwaden, in Gore-Tex verpackten Menschen und matschigen Wanderwegen in den Kopf. Und ja, auch so kann man dieses wunderschöne und ewig weite Land vorfinden. Doch nicht dieses Mal. Nach einem Jahrhundert Sommer in Mitteleuropa und eher verregneten Monaten in Skandinavien hat sich das Schönwetterfenster wohl irgendwie als blinder Passagier in einem unserer Bikekoffer versteckt. Aber man will ja mal nicht nachtragend sein und ihm ein wenig Freilauf zwischen Bergen und Fjorden gönnen …

Kulinarisches

In Isfjorden, etwas nördlich der berühmten Trollstigen Passstraße, fanden wir unser Heim für die kommenden Tage. Die Villa Vengetind von Renate und Tommy Soleim vermittelt bereits beim ersten Schritt über die Türschwelle ein Gefühl von „nach Hause kommen“. Und spätestens beim Abendessen ist klar: Das wird gut. Nach einem langen Flug und einer noch längeren Zugfahrt durch halb Norwegen könnte man meinen, dass Hunger der beste Koch sei. Doch wer Renates Spezialitäten aus aller Welt mal probiert hat, wird kulinarisch eines besseren belehrt. Und trotz tausender Höhenmeter am Bike wird die Kalorienbilanz am Ende der Woche im mehrstelligen positiven Bereich angesiedelt sein. Ach was soll’s, noch eine Zimtschnecke mit Vanillesauce und gemütlich ins Sofa fallen lassen.

Abspecken

Tommy übernimmt den sportlichen Teil der Woche. Irgendwie muss ja für’s nächste Essen wieder Platz gemacht werden. Platz beschreibt auch gleich den Charakter aller Touren. Denn davon hat das Land wirklich reichlich. Wohin man sieht, man sieht nichts. Unendliche Weiten würde James T. Kirk hier sagen. Auf fast staubtrockenen Trails und ständigem Fjord- oder Meerblick ging’s meist schiebender Weise auf die umliegenden Gipfel. Forststraßen such man hier vergebens, Holzwirtschaft gibt es kaum und so führen meist nur schmale Wanderweg die Berge hoch. Wer sich hier bergauf ein wenig austoben möchte, der zieht die Knieschützer am besten schon beim Wegfahren an.

Als wären unsere Touren in Fjørå, an der Atlantic Road und auf eine über 400 Jahre alte Almhütte oberhalb von Isfjorden nicht genug, wurden wir am letzten Abend auch noch von Nordlichtern begleitet. Fast schon kitschig. Und pünktlichst zu unserer Abreise kroch auch der liebe Sonnenschein wieder in einen unserer Rucksäcke um uns zu Hause weiter zu beglücken …

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Madeira Schlammschlacht

Ein Van vollgepackt mit Taschen in denen unsere Mountainbikes sicher verstaut waren (Erwachsenen-Tetris!), ein Van für uns. So machten wir uns nach einer viel zu kurzen Woche wieder auf den Heimweg. Am Weg zum Flughafen Madeira – mitten in den aufkommenden Farewell-Blues hinein – fragte uns unser Guide: “Wie würdet ihr die vergangene Woche in einem Satz beschreiben?“ – „Mud Slide Boot Camp!“ kam prompt retour.

 

Die Trails auf Madeira sind legendär, in Kombination mit den #nichtganzsosonnigen Bedingungen war es das perfekte Traininslager für mich und mein Mountainbike, Madeira hat uns so richtig zusammen geschweißt, könnte man sagen.

 

Der Trip war eine spontane Bauchentscheidung. Rene schickte mir von der Trans Provence eine Nachricht: ‚Lust auf Madeira, Anfang Dezember?’ Eine Google-Bilder-Suche später war die Antwort klar. Ich muss ja gestehen, mein Vorwissen über die Insel war auf Wein und eine Szene aus dem Sissi-Film mit Romy Schneider beschränkt. Dabei ist sie so viel mehr.

Das immergrüne Blumenmeer

Madeira hat noch echte Urwälder, gleich mehrere Mesoklimata und beherbergt auf 740km2 viele endemische Pflanzen und Tierarten. An touristisch starken Tagen kann man zwischen Paradiesvogelblumen und Zuckerrohrstauden an die 50 Mountainbiker beobachten, an den Wochenenden mischen sich noch ein paar einheimische Enduristen darunter. Jedoch ist diese Spezies allgemein trotz der fantastischen Umgebungsbedingungen mit durchschnittlich 0.07 Individuen / km2 eine eher seltene Erscheinung.

Der Norden der Insel ist sehr feucht, die Mitte dominieren Hochgebirge und Moor während der Süden subtropisch warm ist. Ständig hört man Wasser: es gurgelt in den Levadas (offene Bewässerungskanäle), rauscht in Wasserfällen talwärts oder donnert in großen Wellen gegen die Steilküste. In unserem Fall kam dann auch noch die tägliche Dosis von oben dazu. Wir hatten leider das Pech eine völlig unbeständige Woche zu erwischen. Kommt eigentlich so gut wie nie vor, doch die Ausnahme bestätigt bekanntlich die Regel.

Reif für die Insel

Madeira gehört zu Portugal und liegt ca. 1.000 km südwestlich von Lissabon vor Afrika im Atlantik. Sie ist vulkanischen Ursprungs, dementsprechend sind die Hänge steil und der Stein griffig – perfekte Voraussetzungen also für’s Mountainbiken. Da ich meinen neuen Nobelhobel erst kurz vor knapp bekommen hatte, und er fast jungfräulich in den Bikekoffer musste, war ich schon gespannt wie ein Pfitschiepfeil. Über’s Wetter hatte ich mir keine Gedanken gemacht. Süden = Sonne schien mir ein Naturgesetz. Die Regenshort war nur deshalb in der Tasche, weil ich dazu tendiere, immer alles und von dem noch zu viel einzupacken. Diesmal entpuppte sich das allerdings als Segen.

Auch wenn es in der Hauptstadt Funchal meist sonnig und warm war, kaum saßen wir im Van und schraubten uns die schwindelerregend steilen Straßen nach oben, zog es zu. Ab ca. 800 m fiel der Nebel ein, ein paar Höhenmeter weiter regnete es aus der Wolke, und sobald man über der Waldgrenze war, verkomplettierten Sturmböen die Weltuntergangsstimmung. Meine schmerzliche Erkenntnis: 20°C Durschnittstemperatur für Dezember bezieht sich wohl auf Funchal. Ausschließlich. Denn das Auto verkündete am Berg magere 7°C , Windchill noch nicht eingerechnet. Und ich besitze nur Enduro Handschuhe in eher leichterer Sommerausführung. Kennt ihr das Stechen im Nagelbett, wenn das warme Blut wieder bis in die Fingerspitzen vordringt?

Im Trail-Fieber

Doch wir waren lernfähig: Wir saßen fix und fertig adjustiert im Van: die Woll-Skitourensocken unter die Knieschützer geklemmt, das Unterhemd in die Hose gestrickt, Buff unterm Helm und den Zip der Jacke bis zur Nase zugezogen. Oben angekommen brauchten wir nur aus dem Auto zu springen, das Mountainbike vom Anhänger zu fischen und uns ans Hinterrad von John, unserem Guide, zu heften: „Go, go, go!“ Und schlagartig wurde es wieder warm. Zuerst ums Herz, dann auch im restlichen Körper.

Die Trails fädelten kilometerlang die unterschiedlichsten Passagen aneinanderer. War der eine Singletrack zu Ende, kurbelte man kurz eine Fireroad entlang und tauchte gleich wieder in den Wald in den nächsten ab. Unten angekommen, wartete André alias ‚Best Driver’ mit dem Van auf uns, um uns gleich wieder nach oben zu befördern.

Anspruchsvoll, abwechslungsreich, technisch und auch schnell. Geschaufelter Gap neben natürlichem Rock Garden, flowige Hochebene neben ausgesetztem alpinen Steig. Eh man sich versieht, steckt man wieder im tiefsten dunklen Wald und rollt über Rindenstücke von Eukalyptus-Bäumen, die wie ein Teppich den Weg bedecken. Der kleinste Farn der Welt gedeiht neben haushohen Monstern der selben Gattung, Lorbeerbäume sind mystisch mit Flechten und Moos verhangen und die Thujen hätte ich – einmal nicht als Hecke zurechtgestutzt – fast nicht erkannt. Weiter im Süden gesellten sich dann noch Gummibaum, Philodendron, Bananenstaude, … in das für mich surrealistische Bild.

Handarbeit und Herzblut

John und seine Crew von Freeride Madeira sind stolz auf die Natürlichkeit der Trails. Wo es nötig ist, greifen sie selbst zur Schaufel und bauen bzw. hegen und pflegen ihren Spielplatz. Nicht selten kam es vor, dass wir nichts ahnend vor einem Busch standen, unser Guide den Ast zur Seite bog und voilá: Drop in zum nächsten Gusto-Stückerl. Dass dabei vieles schlechtwetterbedingt wirklich nass, schlammig und rutschig war, störte uns mit der Zeit immer weniger.

Man lernt mit den widrigsten Bedingungen umzugehen und merkt erst da so richtig, was eigentlich noch alles im Rahmen des Möglichen ist. Der Wind war manchmal so stark, dass er mich bis zu 20cm versetzte, was sehr unpraktisch ist, wenn man gerade eine 10cm breite Line anvisiert. Nicht den optimalen Matschreifen am Vorderrad? Vorlehnen, in den Dreck drücken und weiter geht’s. Irgendwann kam sowieso der Punkt wo jedes Profil mit seinem Latein am Ende war und die Kurve, in der jeder geradeaus rauschte. Wenn der rettende Busch dann kein Stechginster war: nochmal Glück gehabt! Der Name ist nämlich Programm, diese Pflanze umarmt man nicht freiwillig. Ebenso sollte man ihre Anwesenheit am Rand des Trails in die Linienwahl mit einbeziehen, wenn man sich komplett zerschundene Unterschenkel ersparen will.

Worauf es ankommt

Nach getaner Arbeit wurden die Bikes täglich liebevoll geschrubbt und gefettet. Wenn die eigene ‚Panier’ besonders schlimm war, durften Jacke und Short bei mir gleich mit unter die Dusche. Wieder salonfähig, kosteten wir uns dann durch John’s Restaurant – Empfehlungen. Im Grunde war unser Leben auf’s Wesentliche beschränkt: epische Trails, richtig gutes Essen, Schlaf. Gibt’s Schöneres?

Am letzten Tag erwischte uns Starkregen und Graupelschauer und wir waren bis auf die Haut durchnässt. Wieder unten, entschieden wir uns abzubrechen. John fuhr mit uns statt dessen an die Süd-West-Küste zum Chillen, Sonne tanken, Seele baumeln lassen, abendessen. Das hat dieser intensiven Woche einen würdigen und runden Abschluss beschert.

Auf die Gegenfrage an John nach seinem High-Light Moment der vergangenen Tage kam überraschend: Gemeinsam essen zu gehen und dabei nur happy faces zu sehen.

Da sind sich auf Madeira statt Guide und Touri-Gruppe wohl eher Menschen auf selber Wellenlänge begegnet. Es war mir ein Fest.

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Trans Provence die 1.

Rot, grau, braun

Während der Durchquerung der Provence und der französischen Seealpen sind diese drei Farbtöne schon fast als Nationalfarben einsetzbar. Tennisplatz ähnliche Verhältnisse auf roter Erde, Autobahn tauglicher Untergrund auf grauer Erde und hier und da auch mal ganz ordinärer, stinknormaler brauner Bodenbelag.

Provence

Während man im Frühsommer von Marillen und violet strahlenden Lavendelfeldern begleitet wird, bringt der September bereits blasse Herbsttöne mit sich. Da muss man gar nicht mehr allzu bunt bekleidet sein, um aus der Umgebung hervorzustechen. Doch der Herbst bringt auch den ersten morgendlichen Reif und kühlere Temperaturen auf den Gipfeln. Da kann’s schon mal vorkommen, dass der Rucksack ein paar warme Sachen mehr aufnehmen muss. Doch wie so oft in dieser Saison, scheint es der Wettergott wieder mal gut mit uns zu meinen. Sechs Tage Biken, sechs Tage strahlend blauer Himmel und Sonnenschein.

Maremmen-Ab… Was?

Im September herrscht auf den Almen und Hochflächen noch reger Weidebetrieb. Für Wanderer, Trailrunner und Biker bedeutet dies vor allem eines: Wachsam sein. Denn hinter jeder Biegung oder Kuppe könnte eine Schafherde stehen. Das wäre an sich ja noch kaum Grund zu Besorgnis. Doch werden diese meist von autarken Schäferhunden beschützt. Geboren um zu hüten. Um die Schäfchen vom großen bösen Wolf zu bewahren. Oder eben von Touristen. Maremmen-Abruzzen heißt die Hunderasse, der Name wird sich entweder nach dem kurzen Briefing am ersten Abend oder spätestens nach dem Erstkontakt wie ein Brandzeichen festigen. Doch gewusst wie, sind die vierbeinigen Schmuser keine Gefahr. Beim ersten Anzeichen eines tiefen Bellens sollte man einfach einen weiten Bogen um Hund und Herde machen. Mit viel Glück sitzt auch irgendwo noch ein menschlicher Schäfer und pfeift seine Gefährten blitzschnell zurück. Erstmal beruhigt sind die weißen Riesen handzahm. Und die von meinen eigenen Hunden übrig gebliebenen Leckerlis in der Hosentasche fanden schnell einen Abnehmer, hechelnd und mit dem Schwanz wedelnd.

Mehr bergab als rauf

Da wir bei unserer Durchquerung auch täglich auf ein Shuttle zurückgreifen, ist die Zahl der Tiefenmeter meist ein Vielfaches des Uphills. Doch wer glaubt, die Tour wird hiermit zum Kindergeburtstag, der irrt sich. Die Trails sind durchgehend fordernd und sehr lang. Und um die Fotoalben zuhause mit brandaktuellen und atemberaubenden Shots zu befüllen, geht man auch gerne ein zweites, drittes oder gar viertes Mal ein Stück zurück und probiert die Schlüsselstellen. Die vielen unterschiedlichen Farben des Bodens sorgen täglich für Abwechslung. Und je näher man dem Ziel, Menton an der Cote d’Azur, kommt, desto mediterraner wird die Vegetation. Da muss man schon aufpassen, um von den mehr als 20 cm großen Zapfen am Boden nicht vom Weg abgedrängt zu werden.

Ankommen

Hat man die Zapfeninvasion erfolgreich überwunden kann man während der letzten Tage schon immer wieder einen Blick auf das Mittelmeer erhaschen. Nach sechs Tagen am Bike ist die Freude über die erfolgreiche Ankunft meist groß. Doch vor dem eigentlichen Sprung ins Salzwasser müssen noch die Treppen der Basilika in Menton überwunden werden. Kluppe an die Nase und los gehen die Synchron-Bike-Meisterschaften über die unzähligen Stufen bis hinab an die Strandpromenade. Bei Sonnenuntergang hat man sich die Abkühlung im Meer redlich verdient. Danach geht’s ab in die Altstadt um ein letztes Mal die französische Küche zu genießen. Ein kleines Schlückchen Rotwein darf hier natürlich nicht fehlen …

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Bike & Yoga am Weissensee

Urlaub bei Freunden

Jaja, der Weissensee ist ein Prachtstück, eine Klasse für sich. Türkisblau glitzernd liegt er da, ganz unschuldig und klar. Anfangs kalt, doch beim zweiten Anlauf kann man diese ultimative Erfrischung schon geniessen. Vor allem dann, wenn man vorab fleißig gestrampelt oder sich beim Yoga maßlos verausgabt hat. Zudem gilt er in den Wintermonaten als größter, vollständig zugefrorener und eislauftauglicher See Europas – das verspricht freie Fahrt und ist mit ein guter Grund, bald wiederzukommen.

Tiefenentspannte Hunde

Das Plätzchen „Wiesenstrand“, welches zum Biohotel Gralhof gehört, ist besonders hübsch anzusehen. Neben einem Saunahäuschen, aka „the Yoga room“, findet man eine Bootshütte aus der man einfach so – mit einem Boot und Rudern ausgestattet – den See unsicher machen kann. Meistens konkurriert man eifrigst mit den zahlreichen Fischerbooten um den besten Platz.

Am Ende des kleinen Stegs steht ein heißbegehrter Master-Chill-Hängesessel mit Seeblick. Und egal wie man es dreht, früher oder später begegnet man dem Haushund – unermüdlich auf der Suche nach der Erleuchtung (oder doch kleinen Fischen?) im seichten Wasser. So ganz still, quasi im Stand-by-Modus, hinterlässt er stets einen Ausdruck von Verwunderung oder Verwirrung im Gesicht vieler Gäste.

Schmusekatzen vor’m Kamin

Den Gralhof zeichnet zudem eine treue Schar an Schmusekatzen aus, die auch gerne auf der Yogamatte oder vor dem warmen Kaminfeuer ein Plätzchen zum schnurren suchen. Corinna und Michael schmeißen den Laden seit vielen Jahren und schaffen es nebenbei auch noch die Kids zu versorgen oder mit auf eine Bike Tour zu kommen. Einfach grandios.

Man fühlt sich von Anfang an sehr wohl und wie zuhause. Die alte Scheune dient als Bike-Parkplatz, die Zimmer sind ein perfekt gelungener Mix aus urig und modern und duften traumhaft nach Holz. Das Essen ist schlichtweg zum niederknie’n (an dieser Stelle muss nochmals ein Hochlob an den Koch platziert werden) und der Bio-Gin mit Rosmarinzweig ist kein Geheimtipp mehr. Wir haben bis auf die letzten Reserven alles ausgetrunken.

Die frühe Kobra fängt den Wurm

Punkt sieben Uhr morgens erklingt ein imaginärer Gong und Maria Abel erwartet uns auf der Matte. It’s Yoga-time. Rauschatmung, herabschauender Hund (nein, nicht der Haushund), Kobra und diverse Krieger schwitzen. Nach den Bauchmuskelübungen liegen ein bis zwei Flüche in der Luft.

Am dritten Tag macht sich allerdings bereits eine Art Gewöhnungseffekt breit und auch der widerspenstigste Muskel lässt nun locker. Jeden Morgen die perfekte Vorbereitung für den Tag am Bike – Stabilität, Konzentration, Koordination, Balance und eine starke Mitte wurden zu teils dramatischen und mitreißenden Klängen praktiziert.

Abends findet der mehr oder weniger ruhigere Teil statt, mit Fokus auf Stretching und Relaxation bzw. die freudige Aussicht auf das bevorstehende Abendessen. Auch die Sauna wird gern genutzt um müde Muskeln noch müder zu machen. Alles da, keine Wünsche blieben offen.

Hühner und Gockel am Berg

Was man sonst noch so machen kann am Weissensee wird ersichtlich, wenn man den Blick etwas hebt, sich die morgendlichen Nebelschwaden lichten und den Blick auf das traumhafte Berg- und Hügelland ringsum freigeben. Maria hat vier verschieden Touren vorbereitet und das Wetter hat alle Stückerl gespielt. Perfekteste Bedingungen auf allen Trails.

Die neun Gefährten (Drei Gockel, sechs Hühner) – ein wunderbar harmonierender Mix aus Schweiz, München und Österreich, haben zwar leicht abweichende Levels und Ansprüche, doch das ist kein Thema, jeder kommt auf seine Rechnung. An dieser Stelle ist ein großes Lob an die „chefbikeguida“ Maria und den „assistant-guide“ Klaus auszusprechen.

Nach dem morgendlichen Bike-Check mit mechanischen, sattelstütz- und reifendrucktechnischen Herausforderungen, wird fröhlich los geritten. Genussgipfel, Traumpanorama, Frischluft-Überdosen, spontane Yoga-Einheiten, Schwammerlduft und köstliche Hüttenjaus’n begleiten uns die vier Tage. Meine Wenigkeit hat die Ehre, mit dem Waldboden besonders innig und fast schon intim zu werden – die Tour an Tag zwei war recht anspruchsvoll, doch wenn man dann in die innere Riege der Bike-Checks aufgenommen wird, heilen die Wunden rasant und der Lerneffekt wird verdoppelt.

Nun, zum Abschluss ist zu sagen – es war ein rundum perfektes Wochenende. Der Körper schwankt zwischen totaler Erschöpfung und Entspannung – mit Vitamin D vollgetankt und die Lungen frischluftgeflutet stellt sich ein Gefühl der maximalen Zufriedenheit ein. Kärnten, du bist so gut zu uns. Und wie eine wohl bekannte Teilnehmerin immer wieder zu sagen pflegt – „ es gibt keine Steigerung“. Hasta la vista, Weissensee.

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