Im westlichen Teil der Lofoten

Lappland Enduro

Vom Fjord zum Fjell und wieder zurück. Und dazwischen die leckersten Waffeln von ganz Nordschweden. Den Kalorien-Nachschub hat man sich auch redlich verdient, denn wenn man glaubt, auf den Plateaus des norwegischen und schwedischen Fjells sei es „brettl-eben“, dann irrt man sich. Auf und ab, über Stock und Stein, und ständig werden die Blicke vom atemberaubenden Panorama oder den vorbeiziehenden Rentierherden abgelenkt.

Mountainbiken im hohen Norden, keine Lappalie

Nachdem Freunde, Edgar und Robi, nämlich die ehemaligen Hüttenwirte der Hochmölbinghütte im Toten Gebirge, ein sogenanntes „Hütten-Gspusi“ in Kiruna haben, muss man die Gelegenheit ja quasi beim Schopf packen. Gepackt haben wir dann lediglich unsere Bikes, um für zwei Wochen die Gegend an der Grenze von Norwegen und Schweden unsicher zu machen. Hier, wo der Kungsleden Wanderweg auf den Nordkalotten-Trail trifft. Wo sich Lachse und Rentiere gute Nacht sagen und man an warmen Sommertagen von bissigen Flugtieren in den Wahnsinn getrieben wird.

Von Stechmücken und anderen Plagegeistern

Diese kleinen Biester halten sich am Flughafen noch in Grenzen – eine halbe Stunde Autofahrt später, mitten im Feuchtgebiet am Torne, steigen wir aus dem Auto: Bumm, alles schwarz vor Augen. An Luft holen war nicht zu denken. Schnell ein paar Schritte gehen und schon war man von den „Knots“, den kleinen Monstern, erlöst. Auf meine Frage, ob man sich daran auch mal gewöhnt, kam nur „In ein paar Jahren schon“. Na toll, Bike-Abenteuer fortsetzen oder doch lieber gleich den nächsten Flug nach Hause nehmen?

Wir haben uns für die weniger lange Variante entschieden und sind mit ein paar Eisbären – aka Isbjørn Dosenbier – in der Hütte verschwunden. Unsere Räder sind noch irgendwo in Mittelschweden. Edgar und Robi bringen die neue Küche und nehmen die 3.700 km vom Ennstal in der Steiermark mit dem Auto in Angriff. Hätte Robi irgendwo bei Göteborg nicht Benzin statt Diesel getankt, würden sie jetzt mit uns die kühlen blonden Eisbären am Lagerfeuer genießen. Doch Freitag zu Mittag, mit einem streikenden Motor, tut sich in Schweden nicht mehr viel. Die Räder dürfen 2 Tage Freilauf auf den tollen südländischen Trails genießen und wir haben Zeit, uns die Gegend um Kiruna ein wenig näher anzusehen. Stets begleitet von tausenden von Stechmücken.

Räder ahoi

Als dann endlich auch unsere Drahtesel eintreffen, warten wir nicht lange und kurbeln los. Edgar hat die Zeit genutzt und einen Schlachtplan zurecht gelegt. Wir folgen aufmerksam, verstehen allerdings nur Bahnhof. Die samischen Namen sind schon schwer zu lesen, sie durch Edgars aufgeregte Stimme zu verstehen scheint schier unmöglich. Nur so viel: packen, aufsitzen, losfahren.

Weil das Wetter nicht so ganz nach Plan verläuft, verlagern wir die Homebase nach Norwegen. Südöstlich von Narvik wartet Ballangen mit einem Campingplatz und einer warmen Hütte auf uns. Der perfekte Ausgangspunkt für Touren rund um den Narvikfjord.

Rein, reiner, Reinnefjellet

Granitfelsen vom Gipfel bis zum Fjord. Der Traum jedes Bikers. Doch zuvor muss dieser erst erklommen werden. Wir folgen der Schotterstraße dem Fluss Sorela aufwärts durch das Naturschutzgebiet. Ein spektakulärer Wasserfall reiht sich an den nächsten. Beim Staunen und In-die-Gegend-schauen muss man lediglich aufpassen, nicht von der Straße zu kommen.

Ein Hoch auf die Wasserkraft. Die Servicestraße, die zu den tief im norwegischen Fjell gelegenen Speicherwerken führt, bringt uns gemütlich Richtung Reinnefjellet. An einem kleinen See geht’s auf kaum sichtbaren Steigspuren Richtung Westen. Also grob Nord Neufundland. Wir lassen Edgar, unseren menschlichen Kompass vor und laufen hinter her.

Erster Gipfelsieg

Bald verlieren sich die Spuren gänzlich im Granit. Nun nutzt unser Kompass seine ausgeprägten Instinkte. Und nein, nicht die Fortpflanzung, sondern der Orientierungssinn ist gemeint. Wir aus der urbanen Gegend Österreichs nehmen mal lieber das GPS in die Hand um den höchsten Punkt zielstrebig anzusteuern. Die letzten Meter zum Gipfel müssen zu Fuß bewältigt werden und so parken wir die Carbon-Rösser, Alu-Pferde oder Holzräder der Veganer ein kleines Stück weiter unten.

Foto, Gedicht im Gipfelbuch, Bussi links und rechts und zurück zu den einsamen Bikes. Zeit zum Granit-Surfen. Am mit grauen Steinplatten gepanzerten Rücken des Reinnefjellet gleiten wir fast schwebend, aber nicht mühelos, Richtung Fjord. Einige Stunden und viele tolle Erlebnisse später, geht es ein paar Minuten nach der Brücke über den Fjord scharf nach Rechts – erstes Haus links, eingeheizter Ofen, Glück, Hunger, Eisbären …

 

Schwedischer Alpencross

Von Norwegen nach Abisko in Schweden. Vorbei am Reinefjellet, weiter Richtung Osten und stets leicht bergauf führt der Weg zur schwedischen Grenze. Auch wenn die Auffahrt eher unscheinbar ist, die Gegend mit ihren schroffen Felsen hat uns in kürzester Zeit unweigerlich in ihren Bann gezogen. Und der Weg meint es gut mit uns Bikern. Er zeigt sich quasi von seiner human flowigen und flachen Seite. Doch wie gewohnt ist das nur die Ruhe vor dem Sturm.

Noch vor der letzten norwegischen Hütte, welche einen schier unmöglich auszusprechenden Namen trägt, wird der Weg technischer, verblockter und verlangt hohe Konzentration. Doch bald legen wir eine Pause auf der Cunoja´vrihütte ein – wie auch immer. Auf Tee, Kaffee und Kuchen müssen wir nur zeigen und man versteht uns. Ist das norwegisch nicht ausreichend, stellt man die Gesichtszüge auf „ausgehungert“ und bekommt den notwendigen Nachschub an Kalorien und Zucker.

Eine Sauna an jeder Ecke

Bald geht es weiter am See Cunojärvi entlang und wir kämpfen uns im wahrsten Sinne des Wortes durch zahlreiche kleine Bäche und über sehr technisch zu fahrende, flache Wegstücke. Wie erhabene PedalritterInnen erreichen wir nach anstrengenden aber durchwegs traumhaften Singletrails die Schwedische Grenze. Eine halbe Stunde später empfängt uns auch die sehnlichst erwartete Unterkunft für die Nacht: die Unna Allakas Hütte.

Kochen, Kleider trocknen, Menschen trocknen, Essen, Eisbären, Sauna und schlafen … Schon toll, selbst hier im Nirgendwo hat diese so einfache Hütte eine Sauna. Nach ein bis drei Durchgängen mit kurzen Flitzer-Intermezzos im Freien fallen wir müde ins Bett.

Am Morgen geht es früh los, denn die 45 km lange Strecke nach Abisko hat es in sich. Gleich zu Beginn gibt es einige Schiebepassagen, schmale Bohlenbrücken und die allseits beliebten Bäche zum Durchqueren. Guten Morgen Schweden – zumindest kommt der Kreislauf rasch in Schwung. Menschen treffen wir hier nur selten, aber Rentiere kreuzen des Öfteren unsere Bahn. Wir erinnern uns düster an ein Video im Netz, bei dem ein Mountainbiker in Südafrika von einem Springbock verrammt wird. Zum Glück ist bei diesen Ausblicken und den tollen Wegen keine Zeit für Ablenkung. Und schon wieder ein Bächlein.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Abiskojaure und wir fallen wie die Wilden über die Küche der Fjellstation her. Nach der wohlverdienten Pause geht es auf der ersten Etappe des berühmten Kungsleden Wanderwegs zum Ziel der Reise, nach Abisko.

Lofoten wir kommen


Das Wetter hat uns mittlerweile eingeholt und auch hier an der norwegischen Grenze wird es zunehmend regnerischer. Ein kurzer Blick auf die Karte sowie auf die Wettervorhersage und schon war klar: auf zu den Lofoten. Von früheren Touren kennen wir die womöglich schönste Unterkunft nahe Kabelvåg und reservieren eine Hütte bei alten Bekannten. Holzofen-Vorheizung inklusive. Bei Maren und Seth in Kalle steht Wohlfühlen und Füße hochlagern mal an erster Stelle. Das kalte und nasse Wetter hat uns zugesetzt.

Party on the rocks

Der nächste Tag beginnt gemütlich mit einer Tour oberhalb von Henningsvær, zum Festvågtinden. Oben angekommen finden wir uns vor einem reichhaltigen Sortiment aus Kabeln, Boxen und Aggregaten wieder. Als der Bass zum Soundcheck einsetzt, weht es uns fast vom Gipfel. Sondre Justad, ein norwegischer Singer Songwriter, gibt heute zum zweiten Mal ein Konzert am Gipfel zum Besten.

Die Ausblicke auf das Inseldorf Henningsvær sind einmalig und machen Lust auf mehr. Mehr Lofoten, mehr Inseln, mehr Gipfel, mehr Eisbären, mehr Trails, mehr Granit, mehr Urlaubstage.

North of the sun

Wieder zurück in der Unterkunft werden wir erstmal in das Steuersystem der Norweger beim Bier-Brauen eingeführt. Fazit: es ist unrentabel, selbst Bier zu brauen um es in der Unterkunft zu verkaufen. Deswegen wird das dunkle Edel-Hopfen-Getränk von Peer, dem Eigentümer, verschenkt. Nachdem wir ihm beim Brauen etwas behilflich sind, die Saison schon fast vorüber ist und sich nur noch wenige Liter im Fass befanden, dürfen wir Selbiges auch noch entleeren.

Am nächsten Tag geht es gut gestärkt in den Westen der Inselgruppe. Vor einigen Jahren verbrachten zwei Jungs aus Norwegen den Winter an einem schwer zugänglichen Strand zum Surfen. Aus Schwemmholz und Müll der täglich an die Küste gespült wurde, bauten sie sich eine Unterkunft. Aus den geplanten Tagen wurden Wochen und Monate. Im Video „North of the sun“ kann man die Geschichte der beiden bewundern. Die Müll-Hütte und eine riesige Schaukel stehen heute noch. Und zwar genau unter dem Berg, den wir uns zum Ziel gesetzt haben. Auch wenn die Abfahrt zum Strand alles andere als einfach ist, man muss diesen kultigen Ort einfach besuchen.

So klappern wir alle möglichen Bike-Berge in der näheren und weiteren Umgebung ab, genießen kostenloses Starkbier, speisen lecker mit Maren, Seth und Peer in ihrer Unterkunft, jagen Eisbären im Supermarkt, hören Musik aus Lautsprechern am Gipfel, springen nach der Sauna in den kohlrabenschwarzen Fjord und müssen eines Tages entsetzt feststellen, dass sich unsere Zeit hier oben dem Ende nähert. Wir kommen wieder, das ist gewiss. Norge vi ses!

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Lappland Enduro

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